von tina » 25.05.2016, 17:51
Heute ist unser langjähriger Patenhund Queeny über die Regenbogenbrücke gegangen.
Queeny gehörte zur Station. Ohne sie wird die Treppe am Klinikgebäude leer sein.
Jahrelang lebte sie gut versorgt auf der Straße, bis sie eines Tages von einem Unmenschen mit einer Eisenstange zusammengeprügelt wurde.
Ihr zu Ehren hat unser Maskottchen Wuff 8 eine Geschichte über sie geschrieben. vielleicht gibt es ja im Hundehimmel auch eine Treppe, die jetzt von unserer Queeny bewacht wird:
Wuff 8 erzählt:
Da Amelie und Franka abgereist waren, fühlte ich mich in den nächsten Tagen recht einsam. Mir fehlten die abendlichen Gespräche und der Austausch mit meinen Freundinnen. Noch hatte ich keinen neuen Mitbewohner.
Nikitty besuchte mich regelmäßig am Zaun. Sie erzählte mir von ihren nächtlichen Ausflügen und Erlebnissen.
Bei den Gesprächen wurde mir aber immer mehr bewusst, dass wir nicht der gleichen Sorte Tier angehören.
Sie war viel unternehmungslustiger als ich und brauchte nicht so den Kontakt zu den Menschen.
Ich dagegen suchte auf dem Hof immer wieder die Gesellschaft der jungen Helfer, ließ mich beschmusen, kraulen und bürsten und genoss es.
Da ich ja jetzt recht viel Zeit hatte, konnte ich die einzelnen Hunde besser beobachten und kennen lernen.
Besonders fiel mir eine ältere Hündin vor dem Klinikgebäude auf. Sympathisch fand ich sie nicht!
Sie bellte bei jeder Gelegenheit, hatte einen merkwürdigen, schwankenden Gang, einen ganz komischen Blick und ich glaube, sie hatte nur ein Auge.
Ich fragte Cora nach ihr und erfuhr, dass ihr Name Queeny ist.
Warum benimmt sie sich so komisch fragte ich. Sie hatte eine schwere Verletzung am Kopf, aber am besten Du fragst sie selbst.
Zwei Tage schlich ich um Queeny herum. Ich traute mich einfach nicht, sie anzusprechen.
Aber dann fasste ich mir ein Herz, ging fröhlich auf sie zu und begrüßte sie mit einem Schwanzwedeln.
Mit ihrem einen Auge sah sie mich an, machte ein paar ungelenke Hopser, fand mich aber wohl nicht bedrohlich und entspannte sich.
Na, schon lange hier?, begann ich etwas unbeholfen unser Gespräch.
Ja, antwortete sie, schon seit zwei Jahren.
Gefällt es dir? Willst du bleiben? Oder nach Deutschland? versuchte ich die Unterhaltung fortzusetzen.
Ja, ich bleibe hier für immer. Ich habe eine sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen. Ich bewache die Treppe vom Klinikgebäude. Das ist sehr wichtig und kann längst nicht von jedem übernommen werden.
Mein Dienst fängt morgens um acht Uhr an. Am Nachmittag mache ich ein kurzes Schläfchen und dann wache ich weiter, bis ich abends rein gerufen werde.
Was hast du denn früher so gemacht? Wo hast Du gewohnt?
Ein schwärmerischer Ausdruck zeigte sich auf ihrem verunstalteten Gesicht, das verbliebene Auge glänzte und ihre Körperhaltung veränderte sich.
Früher, ja früher, da war ich ein frei lebender Hund am Strand von Nikiti. Jeder kannte mich, jeder streichelte mich, jeder mochte mich. Samira habe ich schon damals kennen gelernt. Sie holte mich für kurze Zeit hier auf die Station. Ich wurde geimpft, ich wurde kastriert und dann hatte ich wieder den Strand, Nikiti und meine Freunde für mich.
Das ging sechs Jahre so. Ich war sehr glücklich.
Doch eines Abends, ich ging gerade an einem dunklen Restaurant vorbei, um meine letzte Runde zu starten, als ein Mensch mit einer Eisenstange völlig unvermittelt auf mich zu stürzte und mir über den Kopf schlug. Einmal, zwei Mal!
Den Schmerz kann ich Dir nicht beschreiben!
Völlig blind, von Schmerzen überwältigt, von Krämpfen geschüttelt schleppte ich mich hinter das nächste Gebüsch und wollte nur noch sterben.
Dort lag ich dann, unfähig, mich zu bewegen, unfähig um Hilfe zu rufen. Immer wieder fiel ich in eine tiefe Ohnmacht, in den wachen Zeiten überwältigte mich der Schmerz, ich konnte nur noch leise jammern und wünschte mir mein Ende.
Nach zwei Tagen wurde ich endlich gefunden. Aufmerksame Touristen hatten mich entdeckt und die Station benachrichtigt.
Samira, die mich ja kannte, trug mich vorsichtig auf ihren Armen in das wartende Auto.
Eine wohltätige Ohnmacht umhüllte mich und so wachte ich erst im Klinikgebäude wieder auf.
Warme, saubere Decken, ein gefüllter Wassernapf, liebevolle Hände versorgten mich.
Tagelang kämpfte sie und auch ich um mein Leben. Aufmunternde Worte drangen an mein Ohr: Queeny, halte durch, du schaffst es!
Und ich habe es geschafft. Leider kann ich nicht mehr so gut laufen wie früher, leider kann ich nicht mehr so gut sehen wie früher, oft plagen mich furchtbare Kopfschmerzen, aber ich lebe. Und ich lebe wieder sehr gern. Denn ich habe hier eine ganz wichtige Aufgabe! Ich bin der Wächter der Treppe am Klinikgebäude und Samira ist mir sehr dankbar, dass ich diesen Job so zuverlässig erfülle!
Gedankenverloren saß ich neben Queeny. Ich legte meine Pfote auf ihre und aus ihrem verbliebenen Auge tropfte eine Träne.
Ich musste heftig schlucken um nicht auch zu weinen.
Und ich schämte mich. Ich schämte mich, weil ich sie nur nach ihrem merkwürdigen Gang und ihrem schiefen Kopf beurteilt hatte.
Das würde mir nicht mehr passieren, ich würde mir immer erst die Geschichte hinter der Fassade anhören.
Liebe Grüße Tina
Älter werde ich später