An das Frauchen von Mikrivon Heidi Giourga-Steiblmüller
Ich weiß nur, dass du vom Tierheim Solingen vermittelt wurdest. Du warst mein erster Welpe den ich zu Samira auf die Station brachte und dies war im Oktober 2010. Deine Mutter war Kukla, die inzwischen kastriert ist und mit ihrem nächsten Wurf nun in einem ehemaligen Ziegenstall im Agios Nikolas versorgt wird.
Deine Mutter war die scheueste Hündin die ich je kennengelernt habe. Ich muss etwas zurückgreifen, um sie zu beschreiben.
Damals versorgte ich Dodori, der vor dem Ziegenstall an der Kette lag. Sein Herrchen, der Hirte, war verstorben, die Ziegen wurden verkauft und er wurde einfach zurückgelassen in der Nässe im Winter und mit kaum Futter. Wenn ich Dodori sein Futter brachte ist deine Mutter weggelaufen, sie war immer bei ihm. Ich konnte sie kaum wahrnehmen, so schnell ist sie verschwunden. So habe ich mehr Futter gebracht aber Dodori hat natürlich nicht`s übrig gelassen. Wenn ich es weiter weg deponiert habe, haben es andere Hunde gefressen. Es war nicht möglich sie zu füttern, sie war nur im Schutz der Nacht unterwegs.
So sind Wochen vergangen und ich habe bemerkt, dass Kukla eines Tages neugierig aus dem schützenden Gebüsch lugte. Da habe ich angefangen eine Einkaufstüte mit Futter hinzustellen. Und wirklich, sie hat sich angeschlichen, eher wie eine Wildkatze, hat die Tüte geschnappt und ist davongelaufen. Dieses Spiel war nun täglich, wie oft hat sie die Tüte aus Angst verloren, aber sie hat endlich Futter bekommen, sie war nur mehr ein Schatten ihrer selbst.
Mit Dodori an der Leine bin ich täglich spazieren gegangen damit er wieder zu Kräften kommt. Und eines Tages fing Kukla an uns zu begleiten, besser gesagt, sie ist hinter schützendem Gestrüpp und Bäumen mitgehuscht. Was anfänglich absolut lautlos geschah wurde mit zunehmender Zeit immer offensichtlicher, ich habe sie natürlich auch gelockt. Dann hat sie angefangen vor uns plötzlich freudig auf den Weg zu springen und genauso schnell wieder zu verschwinden. Und eines Tages ist sie am Weg geblieben und ich sah sie das erste Mal aus der Nähe. Sie war eine wunderschöne Jagdhündin mit Bernsteinaugen.
Und dann kam der große Augenblick, sie hat sich mir nicht langsam genähert, nein!!!
Sie ist plötzlich aus dem Gestrüpp gesprungen und hat sich vor mich hingeworfen, so wie jetzt oder nie, ich durfte sie das erste Mal streicheln und es entstand eine lange tiefe Freundschaft.
Es war der 7.5.2010, wir sind am Abend zuvor nach monatelanger Abwesenheit wieder im Agios Nikolas angekommen. In der Nacht waren sintflutartige Regenfälle aber jetzt schien die Sonne. Ich suchte die diversen Streuner und vor allem Kukla. Drei Tage habe ich sie gesucht und plötzlich sprang sie auf den Weg, wie gewohnt. Ich streichelte ihre prallen Zitzen.
Wo hast du deine Babys? fragte ich immer wieder. Eigentlich habe ich keine Antwort erwartet. Doch plötzlich stand sie auf und ist vor mir hergelaufen.
Eine halbe Stunde lang ging es den Hügel hoch durch Wald und Gebüsch und plötzlich blieb sie stehen, ich sah aber nichts. Das Gelände fiel steil ab. In der Gewitternacht hat sich hier das Wasser seinen Weg gebannt. Geröll, Gestrüpp und dann hörte ich ein leises Fiepen und ich sah auch ein kleines Etwas im angetrockneten Schlamm.
Aber da war eine riesige Brombeerhecke, da konnte ich unmöglich durch. So versprach ich ihr gleich wieder zu kommen und spurtete nach Hause, um geeignetes Werkzeug zu holen.
Nachdem ich mir einen Weg freigeschnitten hatte konnte ich endlich das einzig überlebende, ca. 1 Monat alte Welpchenmädchen erreichen. Ich brachte es an eine höher gelegene sichere Stelle, die ich dick mit Zeitungen auspolsterte. In den nächsten Tagen kam noch ein Sonnenschirm, den ich mit Ästen abdeckte dazu. Wassernapf, tägliches Futter für die Mama, damit sie nicht so weit laufen musste.
Und nun konnte ich dir beim Wachsen zusehen….ich nannte dich Mikri (griech. die Kleine). Du warst völlig lautlos wie eben Tiere zum eigenen Schutz in freier Wildbahn sind. Wenn deine Mutter nicht da war hast du dich im dichten Unterholz versteckt. Aber mir wolltest du immer nachlaufen, vielleicht war ich so was wie eine zweite Mutter für dich. Da musste ich immer ganz schnell den Hügel hoch, dass mir die Puste wegblieb.
Eines Tages entdeckte ich dich unter den geparkten Autos vor meinem Gartentor, dem beliebten Platz einiger Streuner, du warst keine 6 Monate alt. So bist du im Garten eingezogen und das erste Mal getraute sich auch deine Mutter in den Garten. Kaum hörte sie ein verdächtiges Geräusch oder eine abrupte Bewegung war sie bei einem Loch im Zaun auch schon wieder weg. Dann kam sie wieder zum Tor, du warst ja drinnen.
Jetzt wurden unter den Sträuchern passende Wohnhöhlen gebuddelt, Körbchen, Decken, das kanntest du ja nicht. Spielzeug, was soll man damit? Steine, Äste sind doch viel schöner.
Und dann kam der Tag des Abschieds, im Oktober. An diesem Morgen hast du uns nicht schweifwedelnd begrüßt. Du bist liegen geblieben und hast uns fragend angeguckt. Du, mit deinem feinen Instinkt, hast es gespürt.
Ich werde dich nie vergessen (Mikroula mou), du warst der größte Vertrauensbeweis deiner Mutter an mich.