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[Cerberus]

Eingesandt von Hubert

Nuri - die Zukunft wird geboren

Es gibt geschenkte Dinge, die bekommt man, dankt artig, verkonsumiert sie und katapultiert den Rest dieser Dinge ins Reich des Vergessens. Darüber zu schreiben ist langweilig und erzeugt eine derart gestaltete Spannung, wie der berühmte Sack Reis, der irgendwo in China in die Horizontale fällt.

Dann aber bekommt man Dinge geschenkt, deren lebensgestalterische Kraft zum Zeitpunkt der Inbesitznahme zwar vorhanden aber nicht erkennbar war. „Sucht euch einen aus“, sagte Silvia und zeigte auf die sechs kleinen Schäferhund Welpen. Alle waren schwarz, moppelig und stapften mit tollpatschiger Gelassenheit durchs Gelände. Einer der Sechs hatte einen kleinen grauen Fleck am Hals und da es sonst keine weiteren Unterscheidung-/Entscheidungsmerkmale gab, sollte es eben dieser mit dem Fleckchen sein.
Nuri, in Anlehnung an das Arabische – das erste, noch saubere Licht des Morgens – war geboren und zog in unsere winzige Wohnung im Herzen von Thessaloniki ein.

Erinnerungen: Du stehst auf einer Treppenstufe. Mühselig hast du Dich da hinauf gehievt und jetzt schaust du verzweifelt in die schier unüberbrückbare Tiefe, ein Ohr peilt die Sonne an, das andere ist auf uns gerichtet und ein Gemisch aus Winseln und Schimpfen bildet für dieses Bild den akustischen Rahmen. Vier deiner bisher gelebten zwölf Lebenswochen hältst du uns jetzt auf Tapp und mit jedem weiteren Tag beschlagnahmst du einen immer größeren Anteil unserer Gefühle.

Auch wir konsumieren dieses heranwachsende Geschenk; ein Konsum für die Seele. Wir lernen fast täglich, dass tote Gegenstände tatsächlich auch tot sind und hier und da dem Leben weichen müssen. Der hölzerne Elefant aus Afrika verliert über Nacht seinen Rüssel, seinen Schwanz und ein Ohr, Kopfhörer zerfallen in nicht vorgesehene Einzelteile, selbst der Inhalt von Mülleimern verteilt sich spielerisch über die gesamte Wohnung.
Ärger und Liebe liegen sich ständig in den Haaren und die Blicke von Nuri, ob nun schuldig, habe ich das nicht toll gemacht oder ist mir egal, lassen die Liebe regelmäßig gewinnen.
Nuri ist schon längst erwachsen und begleitet uns durch die sinusartigen Verläufe unseres Lebens.
Einige Griechen wollten ihn uns abkaufen und konnten die Aussage, „... so viel Geld wirst Du nie besitzen…“, nur schwer verdauen. Rein hypothetisch stellten wir uns einmal die Frage, wie hoch die Summe sein müsste, um Nuri in andere Hände zu geben. Als wir im Ergebnis dieser Spinnerei keine alltagstaugliche Zahl fanden, wussten wir, dass der Schäferhund Nuri uns zu den reichsten Menschen auf dem Planeten Erde machte. Noch heute kann ich sagen, dass das Wissen um diesen Reichtum schon sehr bezaubernd war.


Erinnerungen: Ein kleines Grab im Wald oberhalb unserer Wohnung. Da liegt Hilde1, der kleine schwarze Kater, der wochenlang mit dir sein Nachtlager geteilt hat. Du spürst die Gefühle am Ort, unsere Traurigkeit ist die deine! Wenige hundert Meter weiter, an der kleinen Kirche, wartest du dem Wahnsinn nahe auf von mir geworfene Stöckchen und Tannenzapfen. Gerade noch die Hilde und jetzt ein aufgeregtes Trippeln vor den Zapfenwürfen. Die Farben eines jungen Schäferhundes, ein dunkles V auf der hellen Brust und mit zwei gleichgerichteten Ohren saust du um das Kirchlein und wirst immer den Gegenstand zurückbringen, den ich auch geworfen hatte. Dein Leben geht halt unaufhörlich weiter, es gestaltet sich durch die ihm innewohnende Neugier und ohne dass wir es merken, manipulierst du auch unsere Empfindungen.